Binary Domain im Test

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"Liebes Tagebuch, neulich haben wir uns überlegt, wie wir den hart umkämpften US-Videospielmarkt erobern können. Als japanisches Entwickler Team gar keine leichte Aufgabe. Aber wir haben eine Idee. Wir schauen uns die besten Dinge bei unserer westlichen Konkurrenz ab und garnieren das Ganze mit japanischen Einflüssen. Und welche Spiele bieten sich bei Abgucken besser an als die von Epic und BioWare?"               -  Dein Masayoshi Kikuchi

Ok, würde ich unterstellen, dass der Produzent von Binary Domain Tagebuch führt, wäre der obere Absatz gar nicht so abwegig. SEGA präsentiert uns einen Sci-Fi Team Shooter, der vom bekannten Yakuza Team entwickelt wurde und gleich an mehrere bekannte Videospiele erinnert. Das wäre zum einen das Gears of War ähnliche Gameplay, in dem es darum geht, in bekannter Third-Person Manier durch die Level zu laufen, Deckung zu suchen und sich mit allerlei Schusswaffen gegen fiese Roboter zur Wehr zu setzen. Die Wahl der Teamkollegen und ein Dialogsystem erinnern entfernt an die erfolgreiche Sci-Fi Trilogie von Bioware, die mit Mass Effect 3 momentan den Release des finalen Kapitels feiert.

Aber nicht nur beim Gameplay, sondern auch bei der  Geschichte ließen sich die Yakuza Entwickler von anderen Medien inspirieren, nämlich den japanischen Anime und amerikanischen Kinoblockbustern. So kennt man das Szenario in abgewandelter Form von Ghost in the Shell, Blade Runner oder I Robot. Viele Zutaten also, die bei Binary Domain in den Mixer geworfen wurden. Ob so viele Zutaten den Cocktail nicht eher verderben, als ihn westlichen Spielern schmackhaft zu machen?
 

Die Handlung ist im Japan des Jahres 2080 angesiedelt. Roboter sind aus der Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Sie übernehmen wichtige Aufgaben und erleichtern der von allerlei Umweltkatastrophen dezimierten Menschheit das Leben. Zwei führende Roboterentwicklungsunternehmen stehen in starkem Konkurrenzkampf miteinander, der japanische Amada Konzern und ein US-amerikanischer Gegenpart. Beide Firmen unterliegen jedoch einem festen Gesetz: Niemals dürfen Roboter hergestellt werden, die wie Menschen aussehen und sich dementsprechend benehmen.

Umso erschreckender ist, als ihr Zeuge werdet, wie ein verwirrter Mann vor dem amerikanischen Roboterunternehmen auftaucht und sich das Fleisch vom Gesicht reißt, nur um Metall und Drähte zum Vorschein zu bringen. Ein Roboter, der fest daran glaubt, ein Mensch zu sein und wütend „Was habt ihr mit mir getan!“ durch die Gegend schreit, wirft sehr viele Fragen auf. Wer hat das Gesetz gebrochen und einen „Seelenlosen“ (so werden menschenähnliche Roboter genannt) entwickelt? Und viel wichtiger: Handelt es sich um einen Einzelfall oder gibt es weitaus mehr davon?

Da jeder die Schuld bei der Amada Corp. sieht, wird kurzerhand ein Team aus erfahrenen Soldaten nach Japan geschickt, um im Rahmen einer verdeckten Mission Licht ins Dunkel zu bringen. Ihr beginnt das Spiel in der Haut von Dan, einem ehemaligen US-Soldaten und dessen afroamerikanischem und äußerst großmauligem Freund. Im Verlauf des Spiel gesellen sich internationale Teammitglieder dazu, wie etwa eine attraktive chinesische Sniperin oder ein Brite, der das Wörtchen „verdeckt“ sehr ernst nimmt. Denn wie das Leben so spielt, wird aus der verdeckten Mission schnell ein actionreicher Trip durch das futuristische Japan.

Obwohl das Spiel in den ersten Stunden mäßig beginnt und euch viele Fragezeichen beim Spielen über dem Kopf schwirren, tragen gut gemachte Zwischensequenzen und Storywendungen dazu bei, dass ihr euch immer weiter vorwagt, um das Geheimnis der „Seelenlosen“ zu lüften. Und eins wissen wir seit der Yakuza Trilogie, die aktuell mit Yakuza Dead Souls ihren Höhepunkt erreicht: mit langen und spannenden Zwischensequenzen kennen sich die Jungs rund um Produzent Masayoshi Kikushi aus! 
 

Im Verlauf der Story kämpft ihr euch in bekannter Gears of War Manier durch unzählige Areale. Slums, Fabriken, ein wunderschönes Tokyo des Jahres 2080, Kanalsysteme und viele weitere Locations versprechen Abwechslung. Unzählige Roboter stellen sich in den Weg. Wie in EA‘s Dead Space könnt ihr verschiedene Teile der Gegner wegballern. Schießt ihr den Blechbüchsen die Beine weg, fallen diese, kriechen aber weiter auf euch zu. Greift ihr den Waffenarm an und fegt diesen weg, nimmt der Feind die Waffe einfach mit dem anderen Arm wieder auf. Am effektivsten ist es, den Robotern den Schädel wegzuschießen. So drehen sie durch und nehmen ihresgleichen unter Beschuss.

Und obwohl die Gegnerhorden kein großes Problem darstellen, bekommt ihr es in kurzen  Abständen mit riesigen Bossgegnern zu tun. Diese sind mein persönliches Highlight in Binary Domain. So coole Endgegner habe ich selten gesehen. Da wäre zum Beispiel ein gigantischer Spinnenroboter, der mitten in einer zerstörten Stadt angreift. Hier gilt es, dem Vieh die acht Roboterbeine wegzuschießen, um an den verwundbaren Kern in der Mitte der Spinne zu gelangen. Keine einfache Aufgabe, denn der Achtbeiner nimmt euch mit Raketen unter Beschuss. Alle Bosskämpfe sind imposant inszeniert und lassen das Adrenalin schnell zu Kopf steigen. Kudos, Yakuza Team!

Leider erlaubten sich die Entwickler auch einige Patzer, die den Spielspaß trüben. Die Charaktere sind nur belanglose Stereotypen, die keinerlei Charme versprühen und mit dummen Sprüchen auf den Lippen durch das Spiel laufen. So baut der Spieler keine Bindung zu seinen KI-Teamkollegen auf. Was schade ist, da Team Yakuza ein interessantes Dialog System integrierte. Spielt ihr nämlich mit Headset, könnt ihr euren Mitstreitern Befehle geben. „Angreifen“, „Zu mir!“ oder „Deckung suchen“ könnt ihr im Kampfgeschehen brüllen und so über Sieg oder Niederlage entscheiden. Hin und wieder wird das actionreiche Spielgeschehen von Pausen unterbrochen, in denen eure Teamkollegen mit euch sprechen und ihr ihnen antwortet. Je nach Antwort sinkt oder steigt ihr Respekt euch gegenüber, was sich wiederum im Kampf verdeutlicht. Bei hohem Respekt hören sie auf euch. Respektieren sie euch gar nicht, kann es passieren, dass sie auf eigene Faust marschieren und einen Dreck auf eure Befehle geben.

Was sich in der Theorie toll anhört, funktioniert in der Praxis leider nur halb so gut. Grund dafür ist, dass das aktive Dialog System recht steif und eintönig daherkommt. Das fängt schon in den Einstellungen an: Richtet ihr euer Mikrofon nicht haargenau auf Binary Domain ein, kann es passieren, dass eure Wörter falsch oder gar nicht verstanden werden. Aus einem „Back Up“ (Anm. des Redakteurs: Mir stand die UK Fassung zur Verfügung) wird dann „Move“, was für Verwirrung sorgt. In den Dialog Sequenzen gehen eure Antwortmöglichkeiten über ein „Yeah“, „No“ oder „Damn it!“ nicht hinaus. Wirklich reden könnt ihr also nicht. Sieht man das Ganze aber als Prototyp, könnte in Zukunft ein wirklich cooles Feature daraus entstehen. Und wer kein Mikro sein Eigen nennt, kann die Antworten und Befehle auch altmodisch per Knopfdruck erteilen.
 

Blickt ihr also über die schwachen Charaktere und die mäßige Sprachsteuerung hinweg, bekommt ihr es mit einem gelungenen Solo-Abenteuer zu tun. Leider haben es die Entwickler verpasst, dem Spiel einen Koop Modus zu spendieren. Bei einem Spiel, bei dem ihr immer mit drei Personen unterwegs seid, wäre das ein großer Bonuspunkt gewesen (siehe Gears of War 3).

Mit anderen Mitspielern könnt ihr euch aber dennoch austoben. Online stehen mehrere Modi zur Verfügung. So könnt ihr euch im Team gegen Horden von Robotern zur Wehr setzen oder gegeneinander im Deathmatch, Capture the Flag und einigen Team Matches spielen. Als Nachspeise zur Kampagne nicht schlecht, hält euch der reine Multiplayer Modus nicht ganz so lange bei der Stande. Dafür gibt es leider viel zu viele bessere Alternativen im Genre.

In Sachen Präsentation muss man das Spiel aus zwei Blickwinkeln betrachten. Zum einen finden sich hier und da schwache Texturen und eine eher trist anmutende Grafik, die aber auf den zweiten Blick wirklich gut zum Sci-Fi Szenario passt. Das merkt man spätestens im dritten Kapitel, wenn man in Tokyos Innenstadt landet und sich an den famosen Wolkenkratzern gar nicht sattsehen kann. Was die Charakter- und Gegnermodelle angeht, haben die Entwickler ganze Arbeit geleitet. Die Figuren ähneln in ihrer Darstellung und Modellierung sehr den Protagonisten der Yakuza Reihe. Vor allem die gut inszenierten Zwischensequenzen seien gelobt. Einige merkwürdige Laufanimationen kann man indes verschmerzen. Großes Highlight sind die Roboter, die unter Beschuss in Tausend kleine Teile zerbersten.

Auf die Ohren gibt es eher mäßige englische Sprachausgabe. In der mir vorliegenden UK Fassung konnte ich keine japanische Tonspur finden. Genervt haben mich die unzähligen dummen Sprüche meiner Teamkollegen, die sich auch noch alle paar Minuten wiederholen. Das Spielgeschehen wird von netten Musikstücken begleitet, die zu den actiongeladenen Auseinandersetzungen passen. 




Daniel meint:

Daniel

Ich habe lange über die Wertung nachgedacht, die Pro- und Contrapunkte abgewogen und gelangte zum Entschluss, dass Binary Domain trotz schwacher Charaktere und einem belanglosem Dialog System ein gutes Spiel ist. Zwar tummeln sich unzählige Third-Person Shooter in dieser Konsolen Generation, Binary Domain gehört mit einer guten Story, tollen Zwischensequenzen, gelungenem Gameplay und mächtigen Endgegnern aber definitiv dazu. Somit gibt‘s von mir eine klare Kaufempfehlung.

Positiv

  • Gute Sci-Fi Story
  • frisches Dialog System ...
  • opulente Endgegner

Negativ

  • Nur Stereotypen als Charaktere
  • ... welches ausbaufähig ist
  • kein Koop Modus
Userwertung
8.28 10 Stimmen
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Forum
  • von aldi404:

    Schade, dass wir nie einen Nachfolger bekommen haben. ...

  • von Black Sun:

    Und genau das hat es eben nicht. Der Gears of War oder auch Uncharted Vergleich ist Käse, weil es sich A komplett anders spielt, eine völlig andere Dynamik entwickelt und B völlig andere Schwerpunkte setzt. Nur weil ein Spiel eine 3. Person Ansicht hat und ein Deckungsfeature nutzt ( welches hier...

  • von khaos:

    Du meinst, weil es mit den Spielen verglichen wurde, von denen Binary Domain mindestens 95% des Gameplays übernimmt?

Insgesamt 77 Beiträge, diskutiere mit
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Binary Domain Daten
Genre Action
Spieleranzahl 1
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit 2012-02-24
Vermarkter SEGA
Wertung 8
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