Homefront im Test

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In Zeiten all der Call of Dutys, Battlefields und Medal of Honor´s da draußen eine neue Shooter-Franchise zu etablieren, ist ein mutiger Entschluss. THQ und die Kaos Studios stellen sich dieser Herausforderung und wildern mit Homefront genau im Revier der Ego-Platzhirsche. Wie es um die Qualität des ambitionierten Neuankömmlings steht, klären wir auf den folgenden Seiten…


homefront3.jpgAnders als bei der Konkurrenz schlüpfen wir dieses Mal nicht in die Rolle irgendeiner Spezialeinheit, die in fernen Ländern gegen böse Terroristen zu Felde zieht. In Homefront kämpfen wir nicht für die Freiheit anderer, wir kämpfen ums nackte Überleben - wir kämpfen um unsere Heimat! Im Jahr 2027 ist das, was niemand für möglich hielt zur traurigen Realität geworden: Die Weltmacht der vereinigten Staaten von Amerika steht, nicht nur wirtschaftlich, vor dem Untergang. Nach einer Invasion durch das unter dem aufstrebenden Diktator Kim Jong-Un vereint- und erstarkte Korea, ist ein Großteil des Landes zerstört. Die Streitmacht der USA wurde komplett zerschlagen und fast alle, die den verheerenden Angriff überlebt haben, wurden in Arbeitslager gesteckt und befinden sich seither in koreanischer Gefangenschaft. Wir finden uns im virtuellen Körper des Kampfpiloten Robert Jacobs wieder und blicken einem ungewissen Schicksal entgegen. In Gesellschaft einiger Leidensgenossen und unter Aufsicht koreanischer Soldaten werden wir in einem Bus abtransportiert und durch die kümmerlichen Überresten einer nordamerikanischen Kleinstadt kutschiert.

Am Straßenrand spielen sich grausame Szenen ab, die wir durch das Seitenfenster beobachten. Wehrlose Zivilisten werden gedemütigt und verprügelt, Familien werden brutal auseinander gerissen und selbst Exekutionen bekommen wir zu sehen. Die Bilder sprechen eine mehr als deutliche Sprache und hinterlassen einen beklemmenden, düsteren Eindruck.

homefront2.jpgDie scheinbar ausweglose Situation ändert sich schlagartig als ein brennender Lastwagen in unseren Gefangenentransport donnert und den Bus von der Straße fegt. Noch etwas benommen finden wir uns plötzlich mitten in der riskanten Befreiungsaktion einer Rebellen-Gruppe wieder, die den koreanischen Besatzern erbittert Widerstand leistet. Noch bevor wir überhaupt realisiert haben wie uns geschieht, haben wir auch schon eine Knarre in der Hand und flüchten im Kugelhagel durch die Häuserschluchten. Einige Scharmützel später erreichen wir den Stützpunkt der Rebellen in Montrose - Colorado und haben Zeit zu verschnaufen und unsere Retter näher kennen zu lernen. Warum gerade wir es wert sind befreit zu werden? Nun, als Pilot verfügen wir über Fähigkeiten die im Kampf gegen die Kommunisten von großem Vorteil sind - das muss als Erklärung reichen. Mit dem festen Willen Amerika um jeden Preis zurückzuerobern formieren sich die Widerstandszellen zum letzten Gefecht und wir… Ja, wir sind mitten drin.

Storytechnisch überzeugt Homefront vor allem mit einer sehr dichten Atmosphäre. Die Bedrohung durch die Besatzer ist allgegenwärtig und die Verzweiflung der Bevölkerung wirkt authentisch.

homefront6.jpgAls Spieler selbst fühlt man sich sofort mitten ins Geschehen hineinversetzt, zumal auch das Charakter-Design passt. Nur unser alter Ego ist mal wieder nicht mehr als ein sturer Befehlsempfänger der, wie soll es auch anders sein, den Mund nicht aufkriegt. Verantwortlich für die Geschichte von Homefront ist übrigens John Milius, der dem ein oder anderen als Autor der Drehbücher zu Apocalypse Now und Die rote Flut bekannt sein dürfte. Obwohl speziell die Parallelen zur roten Flut unverkennbar sind, flacht das Story-Niveau mit zunehmendem Spielfortschritt ab. Im Vergleich zu den meisten Genrekollegen wird zwar immer noch ausreichend erzählerische Substanz geboten, dennoch hätte etwas mehr Tiefgang nicht geschadet. Gameplaytechnisch wagt man keine größeren Experimente und klaut stattdessen frech bei der Konkurrenz. Die Steuerung ist beispielsweise fast 1 zu 1 vom Genre-Primus Call of Duty übernommen.

Das soll aber kein Vorwurf sein, die Bedienung gestaltet sich gewohnt intuitiv und geht gut von der Hand. Im Laufe der - mit gerade mal sechs  Stunden - recht knapp bemessenen Kampagne durchstreifen wir strikt lineare, aber abwechslungsreiche Schauplätze in First Person-Perspektive.

homefront1.jpgDas Waffenarsenal reicht von Standart-Pistole und Splittergranaten über eine Vielzahl an Sturmgewehren und MPs bis hin zu Shotgun und Combat-Knife für den Nahkampf. Missionsbedingt nutzen wir auch mal C4-Sprengstoff, ein Scharfschützengewehr oder einen Raketenwerfer. Den Großteil der Spielzeit schießen wir uns mit mehreren KI-Kollegen im Schlepptau durch die feindlichen Reihen. Begleitet werden wir vorrangig von der Widerstandsinfanterie, bestehend aus Frontschwein Connor, der taffen Rianna und dem in den USA geborenen Koreaner Hopper. Letzterer ist Mechaniker und überlässt uns zwischenzeitlich sogar sein Heiligtum: Eine waffenstarrende Kampfdrohne namens Goliath, die in Form eines gepanzerten Buggys über das Schlachtfeld heizt. Gesteuert wird Goliath automatisch, wir dürfen lediglich das montierte Raketen-Zielsystem bedienen. Dennoch lockern diese Passagen den „herkömmlichen“ Shooter-Alltag auf und fügen sich ebenso gut ins Spiel ein, wie ein Helikoptereinsatz in dem wir - als ausgebildeter Pilot - natürlich höchstselbst die Kontrolle über das Fluggerät haben. Abgesehen von zwei kleineren Railgun-Sequenzen sind wir den Rest des Spiels zu Fuß unterwegs und kämpfen uns vom mittleren Westen der USA bis ins sonnige Californien.

Die Kampagne umfasst sieben Kapitel in denen wir unter anderem Gebäude und Straßen säubern, feindliche Geschütztürme und Fahrzeuge außer Betrieb setzen, ein schauriges Arbeitslager infiltrieren oder einen zum Nachschubdepot umgebauten Wal-Mart einnehmen, der nach heftigem Beschuss ganz nebenbei auch noch in Flammen steht.

homefront7.jpgAußerdem geben wir dem Goliath Schützenhilfe, räumen Straßensperren aus dem Weg, durchqueren als Sniper eine von durchgeknallten Kopfgeldjägern belagerte Farm und erobern zu guter Letzt sogar die Golden Gate Bridge in San Francisco zurück. Hört sich abwechslungsreich an, ist es auch! Der Actionfaktor ist nicht von schlechten Eltern und bietet dank gut gemachter Skriptmomente einiges fürs Auge. Zwar erreichen die Szenen in denen Gebäude zusammen krachen, Phosphorbomben die Umgebung in Flammen aufgehen lassen, Kampf-Jets vorbei donnern oder Panzer durch Wände brechen nicht ganz die Klasse der Skripts in Call of Duty: Black Ops oder Modern Warfare, sehenswert sind sie aber allemal. Allgemein scheint Activision´s Shooter-Reihe das große Vorbild der Homefront-Macher gewesen zu sein. Spätestens wenn eine Tür aufgetreten wird um in Zeitlupe die Gegner im dahinter liegenden Raum zu erledigen ist klar, wer hier Pate gestanden hat. Teilweise sind die Ähnlichkeiten sogar schon fast unverschämt! Bestes Beispiel dafür ist ein Rocksong der während des Angriffs eines Helikopter-Schwarms ala´ Black Ops aus den Lautsprechern dröhnt.

Es heißt zwar so schön: „Lieber gut geklaut als schlecht selbst gemacht“, etwas mehr Individualität darf es beim nächsten Mal aber gern sein. Immerhin spielen sich die zahllosen Gefechte etwas weniger hektisch als bei der Konkurrenz! Meist wird sich hinter einer Deckung verschanzt und dann ein Gegner nach dem anderen aufs Korn genommen.

homefront9.jpgDas kann manchmal dauern, da die aus Call of Duty bekannte Methode des Gegner-Respawns in Homefront ebenfalls Anwendung findet, wenn auch etwas weniger offensichtlich. Die KI der Feinde ist eher als zweckmäßig, denn als besonders intelligent zu bezeichnen. So brav unsere Kontrahenten nämlich auch in Deckung gehen oder versuchen uns zu flankieren, so gern rennen sie uns auch ins Mündungsfeuer oder stehen teilnahmslos in der Botanik herum, während wir ihre Kollegen aus den Stiefeln knallen. Fallengelassene Waffe sollten wir tunlichst aufsammeln, da die Magazine der meisten Schießprügel mangels Größe recht schnell leer geschossen sind. Gespeichert wir automatisch, die Checkpoints sind bis auf wenige Ausnahmen fair gesetzt und auch bei den vier - im Hauptmenü wählbaren - Schwierigkeitsgraden sollte für jeden das Passende dabei sein. Rambo-Naturen werden aber schon auf „Normal“ ihre Probleme bekommen, Jacobs steckt nämlich nicht sonderlich viele Treffer ein. Wenn sich der Bildschirm also erst einmal rot färbt sollte schleunigst in eine sichere Deckung gewechselt werden, wo sich Verletzungen jeglicher Art - automatischer Wundheilung sei dank - in Luft auflösen.

homefront4.jpgIch würde übrigens empfehlen die automatische Zielerfassung in den Optionen auszuschalten, da das Ganze ansonsten leicht Richtung Moorhuhnjagd tendiert! Sammelnaturen werden sich über herumliegende Zeitungsartikel freuen, welche Infos über die Besatzung der USA und die Ereignisse im Rest der Welt beinhalten. Optisch ist Homefront das sprichwörtlich zweischneidige Schwert... Dem abwechslungsreichen Leveldesign, einer oftmals hübschen Weitsicht und den gelungenen (Partikel-)Effekten stehen schwache Texturen, nerviges Tearing, sporadische Ruckler und die teils steifen Animationen der Charaktere gegenüber. Auch Clipping-Fehler und diverse Bugs lassen sich nicht leugnen. So kam es während der Testsession zum Beispiel mehrmals vor dass unsere Kollegen, selbst nachdem alle Feinde in der Umgebung erledigt waren, noch fröhlich weiter feuerten. Dennoch überwiegen die positiven Eindrücke!

Durch mitunter verstörende Szenen wird eine sehr dicht wirkende Atmosphäre erzeugt, die auf der technischen Seite einiges wieder wett macht. In Jugend-Zimmern hat der Action-Titel hingegen absolut nichts verloren, die USK18-Freigabe ist absolut gerechtfertigt.

homefront8.jpgDie deutsche Synchronisation ist der, ebenfalls auf der Disc enthaltenen, englischen Original-Sprachausgabe wie so oft weit unterlegen. Dafür rummsen die Waffen- und Explosionseffekte bei aufgedrehtem Surroundsystem aber ordentlich! Die koreanischen Propagandaparolen und das Untergrund-Radio-Gegenstück, die Stimme der Freiheit - die wir während der angenehm kurzen Ladezeiten zwischen den Kapiteln zu hören bekommen - passen ebenfalls gut zur düsteren Stimmung. Auf musikalischer Seite überzeugt Homefront sowohl mit treibenden, als auch mit melancholischen Klängen, die sich gut ins Spielgeschehen einfügen. Der Wiederspielwert der Kampagne hält sich in Grenzen, spätestens nach dem zweiten Durchgang hat man alles gesehen. Für reine Solisten lohnt sich der Kauf also nur bedingt, wer aber auf spannende Multiplayergefechte steht ist hier genau richtig. Der umfangreiche Online-Mehrspielermodus sorgt für die nötige Langzeitmotivation und lässt uns mit bis zu 32 Mitspielern auf sechs weitläufigen Karten Krieg führen.

Zur Auswahl stehen anfangs nur der obligatorische Deathmatch - und der so genannte Ground Control-Modus. Bei letzterem geht es darum in drei zeitlich begrenzten Runden die Herrschaft über jeweils zwei Stützpunkte zu erlangen. Das Team das zwei von drei Runden für sich entscheiden kann, gewinnt! Je besser die Squads zusammenarbeiten, desto mehr Kampfpunkte erhalten die einzelnen Mitglieder.

homefront5.jpgMit Kampfpunkten werden unsere Widerstands- und Angriffsfähigkeiten verstärkt  und Panzer, mit MG´s bestückte Geländewagen, Helikopter oder Drohnen freigeschaltet, die im Kampf eingesetzt werden dürfen. Um dauerhaft besseres Equipment zu erhalten und die einzelnen Klassen zu verbessern, erhalten wir Erfahrungspunkte. Ab einem Anstieg auf Stufe 7 steht dann noch der Commander-Modus zur Verfügung, in dem eine Art virtueller Talentsucher, der Commander, besonders erfolgreiche Kämpfer mit Bonuspunkten belohnt. Wer also beispielsweise viele Gegner ausschaltet erntet zusätzliche Bonuspunkte - wird aber im Gegenzug für die Gegenspieler markiert, die ihrerseites eine ordentliche Kopfprämie einstreichen dürfen, sofern der Elite-Soldat erledigt wird. Eine äußerst spaßige Idee, mit der sich Homefront endlich mal von anderen Shootern abhebt.

Die groß angelegten Gefechte mit Fahrzeugen und Infanterietruppen machen ebenfalls Laune, negativ fallen gelegentliche Verbindungsprobleme - die hoffentlich noch gefixt werden - und der Kampfpass auf, der es nur dem Erstkäufer erlaubt den Multiplayermodus in vollem Maße zu nutzen. Wer sich das Spiel gebraucht holt und online spielen möchte, muss zahlen oder sich mit der abgespeckten MP-Variante zufrieden geben.

Harry meint:

Harry

Mit ausreichend Feintuning hätte Homefront wesentlich mehr werden können als ein unterhaltsamer Action-Titel: Leider hat es dafür aber nicht ganz gereicht! Vor allem die Präsentation erreicht nicht das hohe Niveau, das nötig gewesen wäre um etwa einem Call of Duty das Wasser zu reichen. Dabei erinnern nicht nur die Steuerung, die kurze Kampagnen-Spielzeit und das Missionsdesign an Activision´s erfolgreiche Shooter-Franchise. Ein Großteil der Gameplay-Elemente wurden ziemlich frech kopiert und lässt eigene Innovationen vermissen. Abgesehen von der dichten Atmosphäre und dem düsteren Setting bietet Homefront ehrlichgesagt nicht viel, das es von der Shooter-Konkurrenz abheben würde.

Dennoch klingt das alles wesentlich schlimmer als es ist. Abseits der kurzweiligen, abwechslungsreichen und vor allem gut spielbaren Kampagne warten die Kaos Studios nämlich auch mit einem motivierenden Onlinemodus auf, der  viele Stunden vor den Bildschirm fesselt. Mehrspieler-Fans dürfen bei Homefront also bedenkenlos zugreifen, Einzelspielern würde ich den Gang zur Videothek empfehlen!

Positiv

  • Dichte Atmosphäre
  • Abwechslungsreiches Gameplay
  • Gelungener MP-Modus

Negativ

  • Zu wenig Umfang für Solisten
  • Fehlende Individualität
  • Technische Unzulänglichkeiten
Userwertung
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  • von Yamazaki:

    NK kommt mit seinen Pupsraketen höchstens bis nach Japan oder SK. die wollen einfach bessere Bedingungen für Verhandlungen und sanftere Sanktionen erpressen... aber jetzt kann ja ein neuer Homefront DLC kommen ...

  • von Darkshine:

    Darkshine schrieb: Wird das dargestellte Szenario jetzt Wirklichkeit? Der erste Schritt ist getan, Kim Jong-il ist tot und sein Sohn Kim Jong-un tritt seine Nachfolge...

  • von bbstevieb:

    Gerade die Inszenierung der Besatzer-Stimmung fand ich die grösste Stärke von Homefront. Die Busfahrt am Anfang oder die Szene im Massengrab sind bspw. aussergewöhnlich intensive Momente für ein Videogame gewesen. Für 10-20 Euro muss man wenigstens mal kurz den SP durchspielen.

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Homefront Daten
Genre Ego-Shooter
Spieleranzahl 1-32
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz 50 / 60 Hz
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit 18.03.2011
Vermarkter THQ
Wertung 7.9
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